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Verfassungsänderung in Frankreich: Historische Absicherung des Schwangerschaftsabbruchs – Ein Impuls für Europa?



Wir freuen uns, zwei kürzlich erschienene Artikel von Sylvia Cleff Le Divellec zu diesem Thema auf unserem Blog mit unseren Leser.innen teilen zu können. Die Beiträge sind in der Zeitschrift STREIT sowie der Zeitschrift djbZ des deutschen Juristinnenbundes erschienen.

Für einen detaillierten Einblick in die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Konsequenzen der Verfassungsänderung in Frankreich können Sie die vollständigen Beiträge in der Feministischen Rechtszeitschrift „Streit“ (2/2024) https://www.streit-fem.de/aktuell.html  & djbZ (1/2022) https://www.djb.de/zeitschrift/detail/djbz-2022-heft-1 lesen.

 

Worum geht es ?

Am 4. März 2024 setzte Frankreich einen historischen Schritt, als das Recht auf Schwangerschaftsabbruch („IVG“) in die Verfassung aufgenommen wurde. Diese Entscheidung, die mit 780 von 852 Stimmen im Parlament getroffen wurde, macht Frankreich zum ersten Land weltweit, das den freiwilligen Schwangerschaftsabbruch auf Verfassungsrang hebt. Dieser Schritt, der am Internationalen Frauentag verkündet wurde, wurde als Antwort auf die Rücknahme des Urteils „Roe vs. Wade“ in den USA initiiert und stellt einen bedeutenden Fortschritt für Frauenrechte dar.


Hintergrund und rechtliche Entwicklungen

Der Schwangerschaftsabbruch ist in Frankreich seit dem „Veil-Gesetz“ von 1975 legal. Dieses Gesetz, das von der damaligen Gesundheitsministerin Simone Veil ins Leben gerufen wurde, entkriminalisierte den Eingriff vollständig. Im Laufe der Jahre wurden weitere Reformen durchgeführt, um den Zugang zu Abtreibungen zu erleichtern. So übernimmt die Sozialversicherung seit 1982 die Kosten für den Eingriff, und die Frist für einen legalen Schwangerschaftsabbruch wurde 2022 auf 14 Wochen verlängert.

Die Verfassungsänderung selbst wurde durch die Entscheidung des US-amerikanischen Supreme Courts im Jahr 2022, das Urteil „Roe vs. Wade“ aufzuheben, angestoßen. Dieser Rückschritt in den USA weckte bei vielen Feministinnen in Frankreich die Sorge, dass das Recht auf Abtreibung auch in Europa in Gefahr geraten könnte. Daraufhin wurde die Forderung laut, den Abtreibungszugang in der Verfassung zu verankern, um ihn vor zukünftigen politischen Eingriffen zu schützen.


Eine "garantierte Freiheit" statt eines "Rechts"

Ein zentraler Punkt der Diskussion um die Ergänzung des Art. 34 der französischen Verfassung ist die Differenzierung zwischen einem "Recht" auf Abtreibung und der letztendlich in der Verfassung verankerten "garantierten Freiheit". Während ein „Recht“ den Staat verpflichtet, den Zugang zur Abtreibung aktiv zu fördern, gewährt die „Freiheit“ den Frauen die Möglichkeit zur Abtreibung, ohne den Staat in gleicher Weise in die Pflicht zu nehmen. Diese subtile Unterscheidung war Gegenstand intensiver Diskussionen im französischen Parlament und stellte den Kompromiss dar, um die erforderlichen Stimmen für die 3/5 Mehrheit zu erlangen.


Ein Meilenstein in Frankreich – Ein Anstoß für die Europäische Union und Deutschland?

Frankreichs Entscheidung, den Schwangerschaftsabbruch verfassungsrechtlich abzusichern, könnte als Impuls für andere europäische Länder, insbesondere Deutschland, wirken. In Deutschland wird der Schwangerschaftsabbruch weiterhin durch das Strafgesetzbuch (§ 218) geregelt. Trotz Fortschritten bleibt der Abbruch dort kriminalisiert, wenn auch unter bestimmten Voraussetzungen straffrei. Die Entscheidung Frankreichs zeigt, dass eine liberale Regelung ausserhalb des Strafrechts nicht nur möglich, sondern auch gesellschaftlich gewollt ist.

Initiert durch den französischen Impuls wurde auch innerhalb des Europäischen Parlaments die Frage einer Erweiterung der Europäischen Charter der Grundrechte um das Recht auf einen Schwangerschaftabruch diskutiert. Wegen der erforderlichen Einstimmigkeit unter den Mitgliedstaaten ist eine solche Erweiterung der Charter noch nicht absehbar. Eine wegweisende Entschliessung des Europïschen Parlaments vom 11. April 2024 in Hinblick auf die Aufnahme des Rechts in die Charter ist jedoch verabschiedet worden.




 


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