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Entgeltgleichheit Frankreich? Zeit für einen echten Auskunftsanspruch!

  • Autorenbild: ELAGE
    ELAGE
  • 15. Juli
  • 4 Min. Lesezeit

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Häufig wird die Gender Pay Gap damit abgetan, dass Frauen einfach in schlechter bezahlten Berufsfeldern arbeiten. Das stimmt – denn es ist die Folge von struktureller Diskriminierung – aber es ist nicht der einzige Grund. Noch immer werden Frauen häufig für gleiche Arbeit schlechter bezahlt, was sich an der sogenannten bereinigten Gender Pay Gap zeigt: In Frankreich verdienen Frauen im Schnitt 3,8% weniger als ihre männlichen Kollegen für gleichwertige Arbeit.

Und das obwohl das Arbeitsrecht sehr spezifisch vorschreibt: „Jeder Arbeitgeber gewährleistet für gleiche oder gleichwertige Arbeit die Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern“ (Art. L3221-2 code du travail)[1].

Die Regelung wurde – damals noch als L140-2 – bereits 1973 eingeführt und ist inzwischen stark durch die Rechtsprechung präzisiert.

 

Damit eine geschlechtsspezifische Lohndiskriminierung vorliegt, muss ein Kollege des anderen Geschlechts auf dem gleichen Posten oder einem Posten, der gleiches Wissen und gleiche Fähigkeiten, gleiche Verantwortung und die gleiche Arbeitsbelastung (physisch und psychisch) voraussetzt, besser bezahlt werden (Art. L3221-4).

So greift das Verbot beispielsweise auch, wenn die Personalverantwortliche (Frau) schlechter bezahlt wird als der Finanzdirektor eines Unternehmens (Mann)[2].

Gleiches Entgelt meint dabei grundsätzlich das Gehalt, aber auch sonstige Vergütungen (wie bspw. Verpflegungsgutscheine (tickets-restaurants) dürfen nicht geschlechtsspezifisch anders verteilt werden[3]. Die Verteilung von Überstunden oder Bereitschaftsdiensten fällt jedoch nicht unter die Regelung[4], obwohl auch diese eine erhebliche Auswirkung auf die Bezahlung hat.

Allerdings kann eine Besserbezahlung gerechtfertigt sein, wenn diese an ein objektives und überprüfbares Rechtfertigungskriterium geknüpft ist. Als solches wurden von der Rechtsprechung bisher regelmäßig drei Kriterien anerkannt: die Dauer der Betriebszugehörigkeit, solange diese noch nicht durch eine gesonderte Prämie abgedeckt ist[5], die Erfahrung[6] am selben Arbeitsort[7], im selben Unternehmen[8] oder auch bei früheren Arbeitgeber*innen und das Vorliegen eines Abschlusses.

Dieser muss jedoch zeigen, dass beim Arbeitnehmer spezifische Kenntnisse vorliegen, die bei der Arbeit tatsächlich nützlich sind[9]. Aber auch ein Mangel an Bewerbern kann ein höheres Gehalt rechtfertigen, wenn dieser das Risiko birgt, dass der Betrieb bei Nichteinstellung geschlossen werden muss[10] und auch unterschiedliche Lebenshaltungskosten in verschiedenen Regionen wurde als Begründung anerkannt[11].

Die Beweislast für ungleiche Vergütung liegt immer beim Arbeitgeber: Er/Sie muss beweisen, dass er/sie den Gehaltsunterschied an ein solches objektives Kriterium geknüpft hat.

Kann er/sie dies nicht, wird die Bestimmung, also der Arbeits-, Tarifvertrag, die betriebliche Regelung oder das Lohnschema nichtig und automatisch ersetzt durch die höhere Vergütung, die dem/den besser bezahlten Arbeitnehmer(n) zusteht.

Außerdem hat das Opfer der Diskriminierung häufig Anspruch auf Schadensersatz[12].

Zudem ist es in Frankreich möglich, dass die Gewerkschaften kollektiv für die Arbeitnehmerinnen klagen (L1134-2). Dass nicht jede Arbeitnehmerin einzeln klagen muss, erleichtert es natürlich, die Ansprüche auch tatsächlich durchzusetzen. Mehrere Prozesse sind dadurch angestossen worden.


Dennoch bleibt das Problem, dass Frauen meist gar nicht wissen, dass sie schlechter verdienen als ihre männliche Kollegen. Zwar haben manche Gerichte den Arbeitgeber schon dazu verurteilt, die Gehaltsabrechnungen anderer Mitarbeiter offenzulegen[13]  und auch das Berufungsgericht in Lyon entschied, dass das Interesse der Arbeitnehmerin, die Informationen über das Gehalt ihrer Kollegen zu erhalten, gegenüber dem Datenschutz überwiegen kann[14]. Allerdings gibt es keinen gesetzlichen Auskunftsanspruch. Ob eine Arbeitnehmerin Einblick in die Gehaltsabrechnungen ihrer Kollegen erhält, muss im Zweifel also erst in langen Verfahren vor Gericht geklärt werden. Und das ist vor allem eins: abschreckend. Das führt dazu, dass weiterhin viele Frauen schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen. Es wird also Zeit für einen echten Auskunftsanspruch. Dieser- und andere Rechte- werden auch bis Juni 2026 in frz. Recht integriert, um die EU-Richtlinie zur Lohntransparenz[15] umzusetzen. Frankreich hat trotz des schon existierenden Gender INDEX, den es in Deutschland nicht gibt, in einigen Bereichen der Transparenz Richtlinie Umsetzungsbedarf.

Die Hoffnung besteht, dass dieser Schritt hilft, die bereinigte Gender Pay Gap zu schließen und Bewerberinnen und Angestellte ermutigt, sich gegen ungerechtfertigte Gehaltsunterschiede zu wehren. Klar ist jedoch auch- ein Großteil des Lohnunterschieds zwischen Männern und Frauen beruht nach wie vor auf strukturellen und systemischen Unterschieden, die weiterhin mit anderen Mitteln bekämpft werden müssen. Ein strengerer, verbindlicher Rechtsrahmen inklusive des Schutzs vor Repressalien ist dennoch ein wichtiger Schritt.


Cabinet ELAGE verfolgt den Umsetzungsprozess in Deutschland und Frankreich seit Jahren und schult Personalabteilungen, HR und Management um die Reformen intern anzuwenden und intern zu kommunizieren. 2026 wird ein herausforderndes Jahr für Arbeitgebende, die bisher nur abgewartet haben.



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Mailu Niehaus studiert Politik und Recht in Münster und absolvierte im Juni 2025 ein Praktikum im Cabinet ELAGE. Erfahrungen mit dem französischen System konnte sie bereits in ihrem Zusatzstudiengang im französischen Recht (FFA) und ihrem Auslandssemester in Martinique sammeln. Ihr liegt der Einsatz für Gleichberechtigung am Herzen und sie interessiert sich daher insbesondere für das Antidiskriminierungsrecht.







[1] Inzwischen dient sie der Rechtsprechung auch als Stütze für das allgemeine, nicht kodifizierte Prinzip à travail égal, salaire égal (gleiches Entgelt für gleiche Arbeit).

[2] Soc. 6 juill. 2010, 09-40.021.

[3] Soc. 20 févr. 2008, 05-45.601.

[4] Soc. 10 oct. 2012, 11-10454.

[5] Soc., 20 juin 2001, 99-43 905.

[6] Soc., 7 juin 2006, n° 04-45.592.

[7] Soc., 16 févr. 2005, 03-40.465.

[8] Soc., 20 sept. 2004, 03-42.025.

[9] Soc., 13 nov. 2014, 12 20.069 und 13-10.274.

[10] Soc. 21 juin 2005, 02-42.658.

[11] Soc. 14 sept. 2016, 15-11. 386.

[12] Soc., 27. nov. 2019, 18.10-807.

[13] Cour d’appel de Poitiers, 24. août 2023, 21-02873.

[14] Soc., 8. mars 2023, 21-12.492.

[15] RL (EU) 2023/970, Art. 7.

 
 
 

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