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Der "Défenseur des Droits" und seine spezifische Rolle als Mediator aus dt/frz. Perspektive


Zum 50. Geburtstag des Défenseur des Droits als Mediator der französischen Republik luden am 23. Januar 2023 die aktuelle Défenseure Claire Hédon sowie ihr beauftragter Stellvertreter für Mediation Daniel Agacinski ins Auditorium der 20 Avenue de Ségur in Paris ein.


Der Mediator der Republik wurde 1973 per Gesetz geschaffen und 2011 durch den „Verteidiger der Rechte“ (Défenseur des Droits) der Republik ersetzt, der neben den vormalige Mediator der Republik den „Verteidiger der Kinder“ (Défenseur des enfants), die „hohe Autorität im Kampf gegen Diskriminierung und für Gleichheit“ (Haute Autorité de lutte contre les discriminations et pour l’égalité) und die nationale Kommission für Sicherheitsethik (Commission nationale de déontologie de la sécurité) vereinigt. Seit 2008 ist er in Art. 71-1 der Verfassung Frankreichs verankert. Der Défenseur ist unabhängig und wird vom Präsidenten Frankreichs für jeweils sechs Jahre ernannt.

Der Défenseur verteidigt die Rechte der Nutzer öffentlicher Einrichtungen, kämpft für Gleichheit im Zugang zu diesen Rechten und gegen Diskriminierung, wacht über die Kinderrechte und Sicherheitsethik, berät und beschützt Hinweisgeber. Der Défenseur kann von jeder Person, die Opfer einer Rechtsverletzung geworden ist, angerufen werden.


In seiner Funktion als Mediator sorgt der Défenseur mit seinen 570 Delegierten in Frankreich für eine friedliche, außergerichtliche Streitbeilegung. Er steht als neutraler Dritter zwischen Bürger und Verwaltung und hilft ihnen, Lösungen zu finden.

Häufig besteht Konfliktpotential beispielsweise betreffend des barrierefreien Zugangs zur öffentlichen Infrastruktur, der Wasserversorgung, Müllabfuhr, Sozialversicherung, Zahlungen von Sozialleistungen, Schließung von Ticketschaltern an Bahnhöfen oder mit Schulen, Krankenhäusern, Steuerämtern, der Post, dem französischen Eisenbahnunternehmen SNCF oder der Telekom France. Die Schwierigkeiten von Nutzern öffentlicher Services waren die weit überwiegende Mehrheit der Beschwerden, die laut einem Bericht von 2021 beim Défenseur eingingen. 2022 wurden von den 126 000 Beschwerden, die den Défenseur erreichten, 80 % von den Delegierten behandelt.

Die Mediation ist die bevorzugte Methode des Défenseur, mit Streitigkeiten zwischen Bürger und Verwaltung umzugehen. Häufig löst der dadurch entstehende Dialog bereits das Problem. Kommunen sind mangels entsprechender Ressourcen und Personals manchmal schlicht nicht in der Lage, alle komplexen verwaltungsrechtlichen Regeln zu kennen und richtig anzuwenden, sodass eine Erklärung durch die Delegierten die Angelegenheit erhellt und den Konflikt auflöst. Andererseits können die Delegierten dem Bürger die Ablehnung seiner Anfrage oft besser verständlich machen. So wurde eine Studie durchgeführt betreffend der für bestimmte Fälle verpflichtend vorgesehenen Mediation im Bereich der Leistungszuwendungen. Es ging um Leistungsempfänger, die überwiegend die Rückforderung von zu viel gezahlten Beträgen angriffen. 55 % gaben an, mit dem Ablauf der Mediation zufrieden zu sein, obwohl nur 1/3 die Abänderung der angegriffenen Entscheidung erreichte. 71 % empfanden die Delegierten als aufmerksamer und verständiger als die öffentliche Stelle. 74 % bewertete die Intervention der Delegierten als eher vorteilhaft.


Diese „institutionelle“ Mediation, die es in Deutschland gar nicht gibt, ist zu unterscheiden von der „konventionellen“, wo der/die Mediator/in von den Parteien völlig frei ausgesucht wird, und der „gerichtlichen“, wo das Gericht die Mediation anordnet und überwacht. Der Begriff der „Mediation“ durch den Défenseur wird zwar mitunter als „schwammig“ und unklar gesehen und seine Unabhängigkeit teils in Frage gestellt, da der Défenseur tatsächlich nicht Dritter sei, sondern Teil der Verwaltung. Andere Staaten erkennen Institutionen wie den Défenseur gar nicht erst als „Mediator“ in diesem Sinne an. Die gesetzlichen Vorschriften halten aber für institutionelle, konventionelle und gerichtliche Mediation die gleichen Grundsätze fest: Unabhängigkeit, Neutralität und Unparteilichkeit. Insofern sind die verschiedenen Formen der Mediation in Frankreich durchaus vergleichbar.


In Deutschland gibt es keine vergleichbare öffentliche Stelle. Die Mediation wird auch im Verwaltungsverfahren gem. des Mediationsgesetzes von unabhängigen und neutralen Personen ohne Entscheidungsbefugnis (§ 1 Abs. 2 MediationsG) betrieben, die die Parteien auswählen (§ 2 Abs. 1 MediationsG) und die eine Ausbildung zum Mediator abgeschlossen haben (§ 5 Abs. 2 MediationsG, ZMediatAusbV), entsprechend der konventionellen Mediation. Darüber hinaus gibt es staatliche Streitschlichtungsstellen, sowohl branchenspezifische (wie z.B. der Ombudsmann für Versicherungen oder die verschiedenen Schlichtungsstellen der Bundesnetzagentur für Telekommunikation, Post und Energie) als auch die Universalschlichtungsstelle des Bundes für Verbraucher. Außerdem sind staatlich anerkannte Gütestellen vorgesehen für Sachverhalte, die einem Gerichtsverfahren zugänglich sind und bei denen die rechtliche Beurteilung im Vordergrund steht. Sie werden von der Landesjustizverwaltung eingerichtet. Schließlich kann während eines laufenden Verfahrens an eine/n Güterichter/in verwiesen werden.


Die Entwicklung des ehemaligen „Mediators der République“ über den Défenseur des Droits bis heute, sowie die weiteren Perspektiven standen im Mittelpunkt des Kolloquiums. Geändert werden soll nicht zwingend die Zahl der Mediationen oder Mediator/innnen, vielmehr ist das großes Ziel, dass diese gar nicht mehr nötig sind, weil die Verwaltung keine Konflikte bereitet. Bis dahin soll die Mediation besser werden. Gerade die klare Einordnung der institutionellen, konventionellen und gerichtlichen Mediation sowie Ablauf der Mediation durch den Défenseur sollen verständlicher werden und dadurch dieser Weg, Konflikte zu lösen und seine Rechte geltend zu machen, dem Bürger zugänglicher gemacht werden. Das Vertrauen der Bürger in die Unabhängigkeit des Défenseur soll durch klare gesetzliche Vorgaben gestärkt werden. Auch im Zusammenhang mit der Zugänglichkeit steht die Digitalisierung, bei der noch viel zu tun bleibt. Schließlich gab es Forderungen zur Regelung der noch nicht klaren Fristen und Verjährungshemmung der Mediation.


Geladen waren Menschen aus der Mediationspraxis, der Wissenschaft, Stellvertretende aus der Verwaltung und sozialen Verbänden sowie der Justiz. Didier-Roland Tabuteau, Vize-Präsident des Conseil d’Etat, schloss die Veranstaltung ab.


Das Cabinet ELAGE bietet Mediationen auf Mass genschneidert durch qualifizierte und erfahrene Mediatorinnen in Frankreich sowie auch im deutsch-französischen Kontext an.


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