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Equal Pay – Rechtslage und Instrumente in Deutschland und Frankreich


39 % verdienen Frauen laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2022 insgesamt weniger als Männer in Deutschland. Dies liegt zum einen an dem hohen Anteil der Frauen in schlecht bezahlten Berufen, an der hohen Teilzeitquote, aber auch am bereinigten Gender Pay Gap von 7 %, das heißt geringeren Stundenlohn der Frauen bei gleicher Tätigkeit. Der unbereinigte Gender Pay Gap (ohne Berücksichtigung der Art der Tätigkeit) beträgt 18%.


Frankreich ist weiter, doch auch hier sind die Zahlen erschreckend: 24 % verdienen Frauen insgesamt weniger. 76 % der Teilzeitstellen werden von Frauen ausgeübt. 91 % der Pflegekräfte sind weiblich. 15% verdienen Frauen immer noch weniger, wenn sie gleich viele Stunden arbeiten würden (unbereinigter Gender Pay Gap) und bei 4% liegt der unerklärliche gender pay gap bei Vollzeit im gleichen Job. Er betrug noch vor 4 Jahren 7%.


Art. 157 AEUV schreibt seit 1957 gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit vor. Wie wollen die beiden Länder heute Equal Pay erreichen?


Deutschland hat zuletzt einen wichtigen Schritt gemacht mit dem Urteil des BAG vom 16. Februar 2023. Die Klägerin nahm ein angebotenes Grundgehalt an, während wenige Monate später ihr männlicher Kollege 1000 Euro mehr forderte und erhielt. Beide Arbeitnehmer verrichteten gleiche Arbeit und verfügten über vergleichbare Qualifikation und Arbeitserfahrung. Das beklagte Unternehmen argumentierte zur Widerlegung der nach § 22 AGG in unionsrechtskonformer Auslegung vermuteten Entgeltdiskriminierung damit, dass das Eingehen auf die höhere Lohnforderung nötig gewesen sei zur Mitarbeitergewinnung, da der Kandidat ansonsten nicht zum Vertragsschluss bereit gewesen wäre. Das BAG stellte fest, dass dies allein nicht ausreicht, um eine unterschiedliche Bezahlung zu rechtfertigen. Besseres Verhandlungsgeschick ist kein legitimes Kriterium mehr. Zuvor wurde besseres Verhandlungsgeschick zu Unrecht als arbeitsbezogener objektiver Grund angesehen, obwohl diese Fähigkeit typischerweise subjektiv unter Beeinflussung von Geschlechterstereotypen und anerzogenem Sexismus bewertet wird. Die Beklagte wurde zur Zahlung der Lohndifferenz sowie einer Entschädigung verurteilt.

Gem. §§ 3 Abs. 1 und 8 EntgTranspG hat jeder Arbeitnehmende Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit. Legitime Kriterien, auf die sich Arbeitgebende berufen können, sind beispielsweise die Berufsqualifikation oder Anzahl der Beschäftigungsjahre. Gehälter können weiterhin verhandelt werden, allerdings darf der Arbeitgeber auf eine höhere Gehaltsforderung nur eingehen, wenn diese durch objektive Kriterien begründbar ist. Personalmangel kann nur in Betracht kommen, wenn die Vergleichspersonen zu unterschiedlichen Zeitpunkten eingestellt wurden und sich die Marktbedingungen bzw. marktüblichen Löhne verändert haben, was vorliegend nicht der Fall war.


In Frankreich gibt es noch kein Urteil zum Fall, dass allein aufgrund der höheren Forderung eines Kollegen ungleich bezahlt wird. Von der Rechtsprechung anerkannte legitime Kriterien für unterschiedlichen Lohn sind z.B. Berufslaufbahn, Abschlüsse, Qualität der geleisteten Arbeit oder Anzahl der Beschäftigungsjahre. 2005 erging ein Urteil (Cass. soc., 21.06.2005, n°02-42.658), wonach jedenfalls ein befristetes Vertragsverhältnis höher entlohnt werden durfte, weil dies nötig war, um die Schließung des Betriebs zu verhindern. Somit war aufgrund der Dringlichkeit und des Mangels an qualifizierten Arbeitskräften der unterschiedliche Lohn gerechtfertigt. Die wirtschaftlichen Gegebenheiten dürfen nicht komplett ignoriert werden. Der Arbeitgeber hatte keinen Einfluss auf diese Umstände.

Ebenso entschied der EuGH 1993 im Fall Enderby, wo ein Bewerbermangel herrschte, der einen unterschiedlichen Lohn rechtfertigte, zumal es nur um gleichwertige, nicht gleiche Arbeit ging. Im Fall war es schwieriger, Apotheker und Psychologen zu gewinnen, da diese anders als Logopädinnen eine Privatpraxis als Alternative eröffnen könnten.


In Frankreich sind die Arbeitgeber gesetzlich gem. Art. L. 3221-2 code du travail verpflichtet, die Lohngleichheit von Männern und Frauen sicherzustellen. Bei Unternehmen ab 50 Mitarbeitern muss der Arbeitgeber seit 2019 gem. Art. D. 1142-2 und 1142-2-1 code du travail jedes Jahr den Index zur Gleichheit Männer-Frauen veröffentlichen, der anhand von bestimmten Indikatoren die Situation bewertet. Anhand dieses Index muss das Unternehmen korrigierende Maßnahmen ergreifen oder ein Lohnaufholprogramm errichten. Ansonsten werden Geldstrafen für das Unternehmen fällig. Arbeitsinspektoren kontrollieren die Lohngleichheit. Im Falle eines Rechtsstreites vor dem Arbeitsgericht gilt die Beweislastumkehr, wie in Deutschland. Es reicht, dass der Arbeitnehmer darlegt, weniger bezahlt zu bekommen, während der Arbeitgeber beweisen muss, dass dies nicht allein aufgrund des Geschlechts erfolgt. Verstöße können zivilrechtlich verfolgt werden, es gilt dann automatisch der höhere Lohn. Strafrechtlich sind Gefängnisstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafen möglich.

Kritisiert wird am Gender Index Frankreichs, dass nur das Gesamtergebnis veröffentlicht werden muss, die Berechnung nach den einzelnen Kriterien dagegen intransparent bleibt. Durch die Art der Berechnung anhand der verschiedenen Kriterien entsteht ein verzerrtes Bild. Gehaltsunterschiede werden unsichtbar gemacht, anstatt sie zu korrigieren. Auch bekommt ein Arbeitnehmer durch den Index keine genaue Auskunft, welcher seiner Kollegen wie viel verdient und ist somit für den Individualschutz wenig brauchbar.


In Deutschland fehlen automatische Kontrollen und Sanktionen komplett, sodass der Individualschutz allein vom Einzelnen selbst abhängt. Unfair angesichts des Machtungleichgewichts zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Hürde, den Rechtsweg tatsächlich zu beschreiten und auf gleichen Lohn zu klagen, ist hoch.


Dafür ist Deutschland zumindest in einem Punkt arbeitnehmerfreundlicher als Frankreich: Während dort ein Arbeitnehmer in der Regel nicht das Recht hat, sein Gehalt seinem Kollegen auf Nachfrage mitzuteilen, werden solche Verschwiegenheitsklauseln in Deutschland meist als unwirksam angesehen. In Frankreich ist nur der Weg über den Richter gem. Art. 145 code de procédure civile möglich.

In Deutschland haben weiterhin seit 2017 gem. §§ 10 ff. EntgeltTranspG Arbeitnehmer einen Anspruch gegenüber ihrem Arbeitgeber auf Auskunft über Kriterien der Entgeltfestsetzung und durchschnittliches monatliches Bruttoentgelt. Die effektive Durchsetzung von Equal Pay bleibt allerdings erschwert, weil viele Frauen ihre Ansprüche nicht geltend machen, um das Verhältnis zum Chef/zur Chefin nicht negativ zu beeinflussen. 2018 wurde nur in 13-23 % der Unternehmen der Anspruch geltend gemacht. Wenig hilfreich auch, dass nach deutscher Rechtslage der Auskunftsanspruch nur bei Betrieben ab 200 Beschäftigten gilt, zumal gerade Frauen häufiger in kleineren Betrieben arbeiten.


Bemerkenswert außerdem: Deutschland hat sich Ende 2022 bei der Abstimmung über die neue EU-Richtlinie zu Equal Pay (Lohntransparenz-Richtlinie) enthalten. Sie wird trotzdem in Kraft treten und muss von Deutschland umgesetzt werden. Dann müssen zumindest Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern regelmäßig Daten zum Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen von sich aus veröffentlichen.


Auch für Frankreich wird die Richtlinie Konsequenzen haben: Sie schreibt das Recht der Arbeitnehmer gegenüber ihrem Arbeitgeber auf Information über das durchschnittliche Entgelt der gleichen Tätigkeit aufgeschlüsselt nach dem Geschlecht vor. Bereits in der Stellenanzeige oder vor dem Vorstellungsgespräch muss über das anfängliche Gehaltsniveau oder entsprechende Spannweite informiert werden.


Somit ist die Richtlinie geeignet, dem dringenden Nachholbedarf in Deutschland wie auch Frankreich abzuhelfen.


Quellen:

· https://verfassungsblog.de/endlich-gleicher-lohn-fur-alle/, 28.02.2023, zuletzt aufgerufen am 22.03.2023

· https://www.boeckler.de/pdf/p_wsi_report_45_2019.pdf , Januar 2019, zuletzt aufgerufen am 22.03.2023

· https://www.wsi.de/de/einkommen-14619-gender-pay-gap-14932.htm, 21.02.2023, zuletzt aufgerufen am 22.03.2023

· https://www.insee.fr/fr/statistiques/6960132, 7.3.23, zuletzt aufgerufen am 22.03.2023

· https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_22_7739, 15.12.2022, zuletzt aufgerufen am 22.03.2023


· Foto: https://unsplash.com/de/fotos/K05Udh2LhFA, zuletzt aufgerufen am 22.03.2023



Wir danken unserer Referendarin Hanna Müller, Stagiaire au Cabinet ELAGE im Frühjahr 2023 für diese umfassende rechtsvergleichende Darstellung und freuen uns, dass Ihre Station in unserer Kanzlei dazu beitragen konnte, ihre Motivation und berufliche Orientierung zu bestärken.


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