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Gender Pay Gap: Gründe für die Lohnungleichheit und Strategien zur Überwindung aus dt/fr. Sicht

Aktualisiert: 25. März



Im Jahr 2023 erhielten Frauen in Deutschland durchschnittlich 20,84 € pro Stunde Lohn, wohingegen Männer einen durchschnittlichen Stundenverdienst von 25,30 € erzielten. Frauen erzielten somit einen um 4,46 € geringeren Stundenlohn als Männer. Der aus dieser Differenz zwischen dem durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von Frauen und Männern berechnete Gender Pay Gap lag 2023 im vierten Jahr in Folge unverändert bei 18%. Wenn man diesen Wert in Tage umrechnet, ergibt sich, dass Frauen vom 1. Januar an 66 Tage unentgeltlich arbeiteten. Auf Grundlage dieser anschaulichen Berechnung fand der diesjährige Equal Pay Day, ein internationaler Aktionstag für die Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen, in Deutschland am 06. März.


An genau diesem Tag hatte ELAGE den Auftrag und die Chance, an der Volkshochschule Freiburg ein interaktives und konstruktives Webinar für Frauen zu dem Thema „Gender Pay Gap? Strukturen verstehen, Fallen vermeiden“ zu moderieren. Im Rahmen dieser Veranstaltung, erhielten die Teilnehmerinnen zunächst Informationen zu dem Gender Pay Gap sowie dessen Ursachen und Folgen, welche anhand von aktuellen Statistiken und interaktiven Modulen veranschaulicht wurden. Darüber hinaus tauschten sie sich über ihre eigenen Verhandlungserfahrungen aus und erhielten anschließend praktische Tipps für Verhandlungstechniken.


Der Gender Pay Gap im Fokus

Der Gender Pay Gap beschreibt den Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern und gilt als maßgeblicher Indikator für den geschlechterspezifischen Verdienstunterschied.

Differenziert wird zwischen dem unbereinigten und bereinigten Gender Pay Gap: Der unbereinigte Gender Pay Gap stellt die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern ohne Anpassung dar. Dies bedeutet, dass der Wert auch den Verdienstunterschied umfasst, welcher auf strukturelle Faktoren zurückzuführen ist. Dahingegen werden in die Berechnung des „bereinigten“ Gender Pay Gaps ebensolche Verdienstunterschiede, die sich aus Divergenzen im Hinblick auf bspw. Branche, Beschäftigungsumfang, Arbeitszeit, Qualifikation und der Tatsache, dass Männer häufiger Führungspositionen innehaben als Frauen ergeben, nicht aufgenommen. Diese „bereinigte“ Lohnlücke zwischen Frauen und Männern lag im Jahr 2023 bei 6%, im Vergleich dazu verharrt der unbereinigte Gender Pay Gap, wie bereits einleitend erwähnt, bei 18%.

Im europäischen Vergleich ist der geschlechterspezifische Verdienstunterschied in Deutschland einer der Höchsten und liegt bedeutend über dem europäischen Durchschnitt von 13%.  Ausschließlich in Estland, Österreich sowie Tschechien ist die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern größer, wohingegen sie in Ungarn und der Slowakei ähnlich ausfällt. Indessen weist Luxemburg als einziges Land in der EU keinen Gehaltsunterschied mehr auf und Rumänien sowie Italien verzeichneten nur geringe Unterschiede im Bruttoverdienst mit rund 4%.


Ursachen für die Entgeltungleichheit zwischen Frauen und Männern

Wie lässt sich diese über dem europäischen Durchschnitt liegende geschlechterspezifische Entgeltungleichheit in Deutschland erklären?

Als eine der Hauptursachen lässt sich die unterschiedliche Berufswahl anführen. Frauen und Männer sind in verschiedenen Branchen und Berufen tätig, wobei Frauen überdurchschnittlich in Berufen arbeiten, die unterdurchschnittlich bezahlt werden. Dies belegen auch Statistiken, welche einen höheren Anteil von Frauen in Niedriglohnberufen wie der Reinigung (85%), dem Verkauf (73%) oder im Gesundheitsbereich (77%) und einen wiederum höheren Anteil von Männern in leitenden Positionen nachweisen.

Begründen lässt sich diese sehr ausdifferenzierte Berufswahl von Frauen und Männern insbesondere durch die noch bestehenden gesellschaftlich geprägten Gender Stereotype, wonach in Deutschland vor allem Frauen für die Kinder sowie das Familienleben verantwortlich sind. Dies hat zur Folge, dass Frauen solche Berufe wählen, die sich angeblich durch eine gute Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben kennzeichnen. In diesem Zusammenhang ist auf Studien hinzuweisen, die belegen, dass Frauen diese Vereinbarkeit zwischen Beschäftigung und Familienplanung bedeutend stärker in die Berufswahl einbeziehen als Männer.  

Zudem ist die unterschiedliche Repräsentation von Frauen und Männern in Führungspositionen, welche Frauen mit einem Anteil von 29% seltener erreichen, ein Grund für die geschlechterspezifische Lohnlücke. Insbesondere hindert die „gläserne Decke“ Frauen daran in eine Führungsposition im mittleren oder gehobenen Management aufzusteigen. In dieser Hinsicht lässt sich feststellen, dass Lohnbildung, -verhandlungen und Aufstiegschancen von Unternehmen oft intransparent gehandhabt werden und Arbeitgeber ferner häufig anführen, dass Frauen keine hinreichende Verfügbarkeit und Leistungsfähigkeit aufgrund von Familien- und Kinderbetreuung und höherer Unterbrechungszeiten erbringen können.

Auch eine mangelnde Verhandlungslust/-kenntnis sowie das damit verbundene genderspezifische Verhältnis zu Geld können den Gender Pay Gap erklären. So sind Frauen seltener in Berufen, in denen sie individuell über ihr Einkommen oder Teile davon verhandeln können. Wenn diese Möglichkeit besteht, verhandeln sie sowohl seltener als auch weniger erfolgreich als Männer.

 

 

Des Weiteren ist die Arbeitszeitunterbrechung und -reduzierung von Frauen überwiegend auf Grund von Care Arbeit eine Ursache für die Entgeltungleichheit. Dies lässt sich unter anderem anhand von Statistiken verdeutlichen, welche aufzeigen, dass sich das Gehalt von Frauen und Männern zu Beginn des Berufslebens in ähnlicher Weise erhöht, jedoch ab dem Alter von 30 Jahren, dem durchschnittlichen Alter von Frauen in Deutschland bei Geburt des ersten Kindes, die Verläufe bedeutend divergieren: das Gehalt der Männer steigt weiterhin, während das der Frauen stagniert.  Damit einhergehend steigt der Anteil der Frauen, die in Teilzeit arbeiten, zunehmend in einem für die Familiengründung maßgeblichen Alter an, was sich nicht nur negativ auf die Höhe ihrer Entlohnung und Karrierechancen, sondern auch auf ihre ökonomische Unabhängigkeit und schließlich zudem auf ihre soziale Absicherung im Rentenalter auswirkt. Erklären lässt sich dies vorwiegend durch eine ungleiche Aufgabenverteilung in Bezug auf Kinderbetreuung und Angehörigenpflege in den Partnerschaften und Ehen.


Gender Care Gap – ein weiterer Gleichstellungsindikator

Dieser unterschiedliche Zeitaufwand den Frauen und Männer für unbezahlte Sorgearbeit aufbringen wird durch den sogenannten Gender Care Gap illustriert. Dabei sind sowohl alle Arbeiten im Haushalt und Garten, die Betreuung und Pflege von Kindern und Erwachsenen sowie unbezahlte Hilfen für andere Haushalte und ehrenamtliches Engagement in Sorgearbeitstätigkeiten inbegriffen. In Deutschland liegt diese Lücke in der Zeitverwendung von Frauen und Männern für unbezahlte Sorgearbeit bei 43,8%. Dies heißt, dass Frauen am Tag durchschnittlich 43,8% mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit aufbringen als Männer – Zeit, welche für die Arbeitszeit in gezahlter Erwerbstätigkeit fehlt. Aus der Umrechnung dieses Wertes resultiert, dass Frauen pro Woche 9 Stunden mehr Zeit mit unbezahlten Sorgearbeitstätigkeiten verbringen als Männer, am Tag liegt der Unterschied bei 77 Minuten.

 

 

Equal Pay Day – der Tag der Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern

Auf all diese Themen macht unter anderem die Kampagne zum Equal Pay Day mit dem Motto „Höchste Zeit für equal pay!“ aufmerksam, indem sie darstellt, wie die Verwendung von Zeit mit dem Gender Pay Gap in Zusammenhang steht und welche Lösungsansätze für eine gerechtere Zeitverteilung existieren. Nächstes Jahr wird der Equal Pay Day am 7. März 2025 stattfinden und bis dahin heißt es, sich weiterhin den folgenden Fragen zu stellen: Wie frei sind Frauen und Männer bei der Nutzung ihrer Zeit? Was muss sich ändern, damit unbezahlte Sorgearbeit und bezahlte Erwerbsarbeit paritätisch aufgeteilt werden? Wie können Unternehmen dazu beitragen, die Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern herzustellen? Welche Auswirkungen haben flexible Arbeitsmodelle wie Teilzeit und Homeoffice auf den Gender Pay Gap und wie können diese Modelle verbessert werden? Welche Rolle spielen Bildung und Sensibilisierung? Wie können Verhandlungstechniken und Selbstbehauptungskurse Frauen dabei unterstützen, den Gender Pay Gap zu überwinden? Aber eben auch: Wie können rechtliche Maßnahmen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene dazu beitragen, den Gender Pay Gap zu verringern und die Entgeltgleichheit zu fördern? Bis zur Umsetzung der 2023 in Kraft getretenen Entgelttransparenzrichtline wird noch etwas Zeit vergehen; sie wird aber entscheidende Verbesserungen im Bereich der Transparenz, Auskunftsrechte, Berichtspflichten und endlich auch Entschädigungsansprüche mit sich bringen.


Sylvia Cleff Le Divellec, Partnerin von Cabinet ELAGE, und Hannah Donner, Rechtspraktikantin, hatten viel Freude daran, einen interaktiven, inhaltsreichen, deutsch-französischen Workshop für die VHS Freiburg zu moderieren und bekamen die Rückmeldungen, dass die Teilnehmerinnen des Kurses ermutigt und informiert ihre Gehaltsverhandlungen voranbringen werden.


Wir danken an dieser Stelle dem gesamten Team der VHS Freiburg für die Einladung und Durchführung und freuen uns auf weitere Kooperationen.

 

 

Herzlicher Dank geht an unserer Praktikantin und Studentin der Rechtswissenschaften Hannah Donner (Universität Münster/Lyon) für Ihre Unterstützung vor und während des Workshops und die Aufbereitung in diesen Artikel.

 

 


 

Quellen:

 

 

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